Masse mit Klasse: Bahnbrechende Neuerungen auf dem Feld der Massenspektrometrie

Neue Perspektiven für die Forschung rund um Immun- und Nervensystem


Wenn es darum geht, Bestandteile von Zellen oder Körperflüssigkeiten zu analysieren oder neue Medikamente zu entwickeln, führt kein Weg an der Massenspektrometrie vorbei. Es handelt sich dabei um eine hochempfindliche Messmethode, die seit vielen Jahren bei chemischen und biologischen Analysen zum Einsatz kommt. Wissenschaftler vom Institut für Immunologie der Universitätsmedizin Mainz haben jetzt die in ihrem Bereich verwendete Messmethode entscheidend verbessert. Zudem haben sie eine Software zur integrierten Auswertung der Messdaten entwickelt: ISOQuant. Auf Basis der optimierten massenspektrometrischen Messmethode lassen sich jetzt weit mehr Proteine identifizieren als zuvor. Der Weg zur optimierten Messmethode unter Einbeziehung der eigens entwickelten Software wurde jetzt in der hochrangigen Fachzeitschrift „Nature Methods“ vorgestellt.


Das Proteom definiert die Gesamtheit aller Proteine einer Zelle. Bei der Proteomanalyse geht es folglich um eine umfassende Darstellung von Proteinen und Peptiden in Zellen oder Körperflüssigkeiten. Jedoch waren bisher viele klassische massenspektrometrische Methoden für die Proteomanalytik verhältnismäßig langsam und relativ schlecht reproduzierbar. Dr. Stefan Tenzer vom Institut für Immunologie und seine Mitarbeiter optimierten eine relativ neue, datenunabhängige Messmethode, die eine hochempfindliche und reproduzierbare Analytik ermöglicht. Damit lassen sich jetzt weit mehr Proteine identifizieren als zuvor. „Die von uns verwendeten Geräte sind im übertragenen Sinne so empfindlich wie eine Waage, die anzeigt, ob sich in einem VW Käfer eine Zwei-Euro-Münze befindet oder nicht“, erklärt Dr. Tenzer, der die Methode mit seiner Arbeitsgruppe entwickelte.

Besonders im Fokus von Tenzers Arbeitsgruppe: Die Entwicklung neuartiger Messverfahren für die „Quantitative Proteomanalytik“, insbesondere mit Hilfe der sogenannten Ionenmobilitäts-Massenspektrometrie. Diese ermöglicht durch eine zusätzliche Trenndimension – neben der Masse kann auch die „Form“ der Moleküle bestimmt werden - die umfassende Analyse hochkomplexer Proben.

Zusätzlich haben Tenzer und seine Mitarbeiter die Methode der sogenannten label-freien Quantifizierung optimiert. Hierbei entfällt die bisher vor der Messung übliche aufwändige Markierung der Proben im Labor. „Wir können daher Patientenproben und bestimmte Immunzellen ohne kostenintensive Vorbehandlung direkt analysieren“, sagt Dr. Tenzer.
Zu diesem Zweck programmierten die Mainzer Wissenschaftler die Software ISOQuant. Diese Software standardisiert die Auswertung des komplexen Datenmaterials und vereinfacht insgesamt die massenspektrometrische Analyse.

Diese bahnbrechenden Neuerungen wurden im Rahmen der Technologieplattformen „Quantitative Proteomanalytik“ des Forschungszentrums Immunologie (FZI) und „ProTIC“ des Forschungszentrums translationale Neurowissenschaften (FTN) der Universitätsmedizin Mainz entwickelt. Sie fanden Einzug in eine der höchst gelisteten internationalen Fachzeitschriften – „Nature Methods“. Es ist bereits die dritte Nature-Publikation, die im Zusammenhang mit den Arbeiten von Dr. Tenzer und seinen Mitarbeitern in diesem Jahr erscheint.
„Die jahrelange Arbeit innerhalb der Technologieplattform mündet in einem Quantensprung im Hinblick auf die Weiterentwicklung der proteomanalytischen Massenspektrometrie“, führt Univ.-Prof. Dr. Hansjörg Schild, Direktor des Instituts für Immunologie und Sprecher des Forschungszentrums Immunologie (FZI) an der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz aus. „Die Ergebnisse von Stefan Tenzer und seinen Mitarbeitern spiegeln das Niveau der Arbeitsgruppe wieder. Ich denke, wir können uns auf neue spannende Kooperationen freuen“, so Prof. Schild weiter.

„In den Neurowissenschaften lassen sich die Methoden der Massenspektrometrie nicht mehr wegdenken. Wir sind besonders auf die hohe Empfindlichkeit angewiesen, für die Dr. Tenzer neue Wege eröffnet hat“, stellt Univ.-Prof. Dr. Dr. Robert Nitsch, Sprecher des Forschungszentrums Translationale Neurowissenschaften (FTN) und des Sonderforschungsbereiches 1080 „Molekulare und zelluläre Mechanismen neuraler Homöostase“ an der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz heraus. „Die Zusammenarbeit der beiden Forschungszentren FZI und FTN auf dem Gebiet der Massenspektrometrie ist für die Gewinnung neuer Einsichten in die Hirnfunktion ein großer Gewinn“, stellt Prof. Nitsch weiter fest.

Originalveröffentlichung:
“Drift time-specific collision energies enable deep-coverage data- independent acquisition proteomics“
Ute Distler, Jörg Kuharev, Pedro Navarro, Yishai Levin, Hansjörg Schild & Stefan Tenzer
Published online: 15 December 2013 | doi:10.1038/nmeth.2767
http://www.nature.com/nmeth/journal/vaop/ncurrent/index.html